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11.09.2024
Aktuelles \\ 23. September 2022

Seine Sprache und Stimme finden – Teil 2

Logopädie befasst sich nicht nur mit Stottern und Lispeln, sondern umfasst zahlreiche Tätigkeitsfelder. Unsere Inhaberin Raphaela Steinbrügge sprach im Interview mit dem Magazin radius/30 über die Vielfalt der logopädischen Einsatzmöglichkeiten. Im ersten Teil ging es darum, ab wann sprachliche Auffälligkeiten behandlungsbedürftig sind. In diesem zweiten Teil geht es um die Kleinen: Welche Auffälligkeiten werden überschätzt und welche müssten stärker beachtet werden? Und wie alt war der jüngste Bona Lingua Patient?

Gibt es Erscheinungen bei Kindern, die über- oder unterschätzt werden?

Stottern bei Kleinstkindern wird häufig überschätzt. Es kommt bei Kleinstkindern öfter vor, ist aber entwicklungsbedingt. Unterschätzt wird dagegen oft das Thema Multilingualität, also wenn Kinder zwei- oder sogar mehrsprachig aufwachsen. Es wird leider oft erst bei der Einschulung festgestellt, dass diese Kinder keine der beiden Sprachen richtig beherrschen. Mich macht das traurig, da diese Kinder nicht dieselben Chancen haben wie Kinder, die eine Sprache korrekt erlernen konnten. Dabei ist Multilingualität eigentlich ein großer Mehrwert, wenn sie richtig
aufgebaut wurde und gut gelingt.

Wir bei Bona Lingua sehen das bei Kindern mit Migrationshintergrund. Das war früher kein Themengebiet für die Logopädie, da es kein Krankheitsbild ist.
Allerdings ist da das Symptom, nicht richtig sprechen zu können. Und gerade im Bereich Multilingualität kann man leicht unterstützen. Für Flüchtlingsfamilien gibt es aber oft wenig Unterstützung. Sprachschulen decken zwar den Spracherwerb der neuen Sprache ab, wenn aber schon Schwierigkeiten im Erlernen der Muttersprache vorhanden sind, wird es mit der Zweitsprache natürlich noch schwieriger. Im besten Fall gibt es dann Logopäden, die sich das Kind in seiner Muttersprache anhören können, um herauszufinden, wo die Schwierigkeiten ihre
Ursache haben.

Kind bilingual erziehen

Haben Sie einen Rat für Eltern, die ihr Kind bilingual erziehen wollen?

Meine dringende Empfehlung: Sorgen Sie für eine klare Einteilung der Sprachen, dass das Kind immer versteht, wann welche Sprache gesprochen wird. Das kann an Personen gebunden sein (Papa spricht immer Englisch, Mama immer Deutsch), an Stätten (zu Hause wird Türkisch gesprochen, in der Schule Deutsch), an Situationen (beim Frühstück sprechen alle Spanisch, beim Abendessen alle Deutsch) oder auch an das Lebensjahr (die ersten drei Jahre wächst das Kind mit Französisch auf, dann kommt Deutsch dazu).

Wichtig ist, nicht innerhalb eines Satzes die Sprache zu wechseln, da das Kind dann nicht mehr unterscheiden kann, welche Wörter zu welcher Sprache gehören. Außerdem ist wichtig, dass das Elternteil die Sprache, die es seinem Kind
beibringen möchte, selbst möglichst fehlerfrei beherrscht, damit sie direkt richtig angelegt wird.

Ihr jüngster Patient war 6 Wochen alt. Wie helfen Sie den Kleinsten?

Oft haben Säuglinge Schwierigkeiten, Flüssigkeit aufzunehmen – egal, ob beim Stillen oder Flasche geben. Eventuell müssen sie eine Nasensonde tragen, haben aufgrund eines Herzfehlers keine Kraft zum Saugen, haben Gaumen-Spalten oder geistige oder körperliche Behinderungen. Oft helfen schon kleine Veränderungen: eine andere Lagerung beim Füttern, ein anderer Sauger oder eine andere Art der Nahrungszubereitung.