Sprach­ent­wick­lungs­stör­ung (SES/SEV)

Als Sprachentwicklungsstörung bezeichnet man die nicht altersgemäße Sprachentwicklung eines Kindes. Man unterscheidet zwischen spezifischen-primären Sprachentwicklungsstörungen (SSES) und einer (sekundären) Sprachentwicklungsstörung (SES).
Bei der SSES ist nur die Sprache betroffen, alle anderen Fähigkeiten des Kindes sind altersgemäß entwickelt.
Die SES tritt dagegen in Verbindung mit weiteren Entwicklungsstörungen auf, z.B. einem Down-Syndrom.

 

 

Die Ursachen können daher genauso vielseitig wie die Symptome einer Sprachentwicklungsstörung sein. Eine Sprachentwicklungsstörung äußert sich durch eine fehlerhafte Aussprache, ein eingeschränktes Sprachverständnis, einen zu geringen Wortschatz sowie Schwierigkeiten im grammatikalischen System.
In der Sprachtherapie wird zunächst eine logopädische Diagnostik durchgeführt, um die Therapieinhalte individuell an die Bedürfnisse sowie an den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes anzupassen. Das spielerische Erlernen und das positive Erleben von Sprache stehen im Fokus.
Eltern und Angehörige werden begleitet und bekommen Tipps und Ideen zur Unterstützung ihres Kindes.

Meilensteine der Sprach- und Sprechentwicklung

Im Verlauf finden Sie die wesentlichen Schritte, die Kinder machen, um Sprache zu erlernen. Grundvoraussetzungen sind ein normales Hörvermögen, die Fähigkeit die Lippen und Zunge zu koordinieren und eine gesunde Stimme.

Wann startet die Sprachentwicklung?

Die Anlage für Sprache wird bereits schon vorgeburtlich entwickelt. Studien zeigen, dass Kinder direkt nach der Geburt nicht nur die Stimme ihrer Mutter erkennen, sondern auch die Muttersprache von anderen unterscheiden können.

Schon in den ersten Lebensmonaten beginnt die Lallphase. Dabei probiert das Kind seine Möglichkeiten Lippen, Zunge, Gaumen und Kehlkopf einzusetzen aus. Diese Phase ist besonders wichtig, um die Koordination zu üben.
Eltern nehmen die ersten „Sprechversuche” häufig auf und versuchen diesen Bedeutungen zu geben.

Wie lernen Kinder Sprache und Sprechen?

Um Sprache und Sprechen zu lernen, müssen unterschiedlichste Fähigkeiten gelernt werden. Hierzu gehören das Lernen der Artikulation von Lauten, Verstehen, Merken und Reproduzieren von Wörtern und diese in eine grammatische Struktur zu setzen. Komplexe Fähigkeiten, wie Erzählen und Beschreiben von Erlebten, folgt im Anschluss.
Im Verlauf gehört auch noch der Einsatz von Betonungen dazu.
Wir alle können schon an wenigen Worten raushören, ob unser Gegenüber z.B. fröhlich oder traurig ist. Dabei kann der Inhalt des Gesprochenen derselbe bleiben. Alleine die Stimme und Melodie geben Auskunft über unsere Emotionen.

Grundsätzlich ist ein positives Vorbild (meistens durch die Familie) die wichtigste Voraussetzung, damit Kinder Sprache erlernen.
Eine gesunde Interaktion ist eine Grundvoraussetzung für einen gesunden Spracherwerb.
Eltern wiederholen z. B. das Gesagte ihrer Kinder und korrigieren es liebevoll.
Kind: „Oh ato!”- Eltern: „ Oh ja du hast Recht, ein Auto!”

In der Fachsprache nennt man diese Vorgehensweise Korrektives Feedback (corrective feedback).
Für die Sprachentwicklung sind viele Faktoren wichtig, diese nennt man auch „kommunikative Kompetenzen”. Hierzu gehören neben den sprachlichen auch nicht- sprachliche Fähigkeiten, wie z.B. motorische Fähigkeiten, geistige-/Hirnentwicklung, Körpersprache usw.
Es ist früh zu beobachten, dass das Schreien eines Babys unterschiedlich klingt und diese differierte Klangweise das Einfordern von unterschiedlichen Bedürfnissen spiegelt.

Zur Sprachentwicklung gehört in großen Teilen auch die kognitive Entwicklung. Auch wenn die Artikulation eines Wortes gebildet werden kann, geht dieses noch nicht mit dem Einsatz im aktiven Sprechen einher.
Es ist, als ob Sie eine Fremdsprache lernen. Zunächst muss das neue Wort verstanden werden; ohne es zu verstehen werden Sie ein Wort nicht einsetzen können.

Das Sprachverständnis ist von großer Bedeutung, um die Fähigkeiten eines aktiven Sprechens zu erwerben.
Dieses gilt besonders dann, wenn komplexe Zusammenhänge verstanden werden müssen. Vielleicht haben Sie schon mal beobachtet, dass man einem kleinen Kind eine Situation mehrfach oder mit unterschiedlichen Worten erklären musste, da es die Situation nicht direkt erfassen konnte.
Gibt es Schwierigkeiten im Sprachverständnis, treten häufig Probleme auf, wie z.B., dass das Kind eine gewünschte Handlung nicht ausführt. Eine andere Möglichkeit ist, dass es zu weinen beginnt oder wütend wird, da es etwas missverstanden hat.

Bis wann muss mein Kind alle Laute bilden können?

Die folgende Abbildung zeigt, in welcher Altersstufe ein Kind welche Laut isoliert (nicht im Wort, sondern allein) bilden können sollte. Behandlungsbedürftig ist dies, wenn die angegebene Altersstufe um mindestens 6 Monate verzögert ist. Ausnahmen sind die Laute /s/ und /z/, welche bis zu 4;5 Jahren interdental (also gelispelt) werden dürfen.

AlterLaut
<2;5m n b p d
2;6 – 2;11t f w l ng k ch2* h s z*
3;0 – 3;5j r g pf
3;6 – 3;11ts
4;0 – 4;5ch1* sch

*ch1: China; ch2: kochen; z: stimmhaftes s
(aus dem PLAKSS-Befundbogen; Protokollbogen 3)

Woran liegt es, dass mein Kind eine Sprachentwicklungsstörung hat?

Die Ursache einer Sprachentwicklung kann von Kind zu Kind sehr unterschiedlich sein und kann häufig nicht konkret ermittelt werden. Es ist jedoch bekannt, dass die Sprachentwicklungsstörung multifaktoriell bedingt sein kann, es also nicht unbedingt nur eine Ursache gibt, sondern dass mehrere ursächliche Faktoren zusammenspielen.
Mögliche Ursachen:

  • Schwierigkeiten mit der Verarbeitung und Wahrnehmung von auditiven Stimuli
  • Im Kindesalter häufig wiederkehrende Mittelohrentzündungen/Paukenergüsse
  • Eingeschränktes Hörvermögen
  • Fehlbildungen von am Sprechen beteiligten Organen (z.B. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte)
  • Genetische Disposition
  • Fehlen von positiven Sprachvorbildern
  • Intelligenzminderung
  • Psychische Beeinträchtigungen (z.B. Autismus, ADHS)
  • Hirnschädigungen

Wie kann ich mein Kind unterstützen?

Sie können Ihr Kind unterstützen, indem Sie mit ihm in Interaktionen treten, in denen Sie beide dazu geleitet werden, miteinander zu sprechen. Eine Möglichkeit sind Spiele, in denen gesprochen wird oder indem Sie die Handlungen Ihres Kindes sprachlich äußern und somit mit Ihrem Kind zusammen in ein Gespräch kommen. Eine weitere Möglichkeit ist es, dass Sie Ihr Kind in Ihre Alltagssituationen einbinden (z.B. kochen), sodass auf diese Weise der Wortschatz erweitert werden kann. Außerdem ist es wichtig, dass Sie sich Zeit für die Bedürfnisse Ihres Kindes nehmen. Sie können Ihr Kind eher zum Sprechen bewegen, wenn Sie offene Fragen stellen, die Ihr Kind nicht nur mit „Ja” oder „Nein” beantworten kann. Wenn Ihr Kind Ihnen von einem Erlebnis erzählen möchte, nehmen Sie sich die Zeit und hören aufmerksam zu. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie interessiert daran sind, was Ihr Kind Ihnen mitteilen möchte. Dies ist gut möglich, in dem Sie den Blickkontakt halten und auf das Gesprochene beispielsweise durch Fragen reagieren. Falls Ihr Kind einen Fehler in der Aussprache oder Grammatik gemacht hat, korrigieren Sie es nicht, sondern nehmen Sie das Gesagte auf und wandeln Sie den Satz so um, dass Sie die korrigierte Version mit aufnehmen können. Dadurch tritt bei Ihrem Kind nicht sofort eine Frustration auf, sondern es kann durch aufmerksames Verhalten die korrigierte Version aufnehmen und für die nächste Situation speichern. Sie können außerdem versuchen, Ihre Sprache Ihrem Kind anzupassen und dementsprechend mit dem Gesprochenen einen kleinen Schritt der Sprachentwicklung Ihres Kindes voraus zu sein. Spätestens ab dem 3. Lebensjahr fördern Sie die Sprachentwicklung Ihres Kindes, wenn Sie es ihm ermöglichen mit gleichaltrigen Kindern in Kontakt zu treten. Allgemein ist es immer hilfreich, das Kind in seinem Tun zu bestärken und zu loben, sodass es ein besseres Selbstbewusstsein bekommt und motiviert bleibt.

Wie erkenne ich, ob mein Kind eine Sprachentwicklungsstörung hat?

Wenn Sie bemerken, dass Ihr Kind Probleme dabei hat, Wörter korrekt auszusprechen, Dinge zu benennen oder einen grammatikalisch korrekten Satz zu bilden, Aufträge häufig nicht korrekt ausführt oder stark stottert, kann dies ein Hinweis auf eine Sprachentwicklunsstörung sein. Bei uns können Sie sich in einem Gespräch gerne kostenlos beraten lassen. Falls wir eine Therapie empfehlen, ist es notwendig, dass Sie sich eine Verordnung für die logopädische Behandlung vom Kinderarzt, HNO, Pädaudiologen oder Phoniater geben lassen. In allen U-Untersuchungen überprüft der behandelnde Arzt in der Regel die Sprachentwicklung, sodass Sie dort ebenfalls einen guten Ansprechpartner finden können.

Sprechen Sie uns gerne an, wir können Sie auch ohne Rezept beraten, um so die optimale Hilfe für Sie und Ihr Kind zu organisieren.

Wie wird eine Sprachentwicklungsstörung behandelt?

Die logopädische Therapie besteht aus folgenden Hauptbestandteilen: die Untersuchung, Therapie, Beratung und der interdisziplinäre Austausch.

In der Untersuchung wird vorab ein Anamnesegespräch mit den Eltern (und wenn möglich auch mit dem Kind) geführt. In diesem Gespräch werden Fragen bezüglich der Schwangerschaft, der Geburt, der bisherigen sprachlichen und motorischen Entwicklung, eventuell bisherigen Krankheiten oder Operationen gestellt. Dies dient dazu, ein umfassendes Bild Ihres Kindes zu erlangen, sodass eventuelle Ursachen oder auch Beeinträchtigungen mit in die Therapie eingebunden werden können. Es ist außerdem wichtig, dass in diesem Gespräch die gewünschten Ziele besprochen werden, um eine bestmögliche Therapie zu ermöglichen.

Der weitere Schritt ist, dass ein logopädischer Befund erhoben wird, in dem störungsspezifische, standardisierte Testverfahren mit Ihrem Kind durchgeführt werden. Wichtig ist außerdem eine Analyse der Spontansprache, die zu einer Erstuntersuchung immer dazu gehört. Dies dient der expliziten Erfassung der Ressourcen und Schwierigkeiten Ihres Kindes, um eine patientenorientierte Therapie entwickeln zu können.

Die Therapie selbst besteht aus störungsspezifischen Übungen, wie Sprech- und Sprachübungen, Hörübungen, Lippen- und Zungenübungen, die alle altersgemäß und spielerisch durchgeführt werden. Da die Kinder am Besten mit Spaß und Spiel lernen, ist es wichtig, dass die Übungen spielerisch vermittelt werden. Kleine Hausaufgaben dienen der Sicherung des in der Therapie gelernten.

Die Beratung ist ebenfalls ein essentieller Aspekt der Therapie. Einbezogen werden die Eltern sowie die Personen des näheren sozialen Umfelds. Am Ende jeder Therapie werden die thematisierten Aspekte während der einzelnen Therapieeinheit sowie die Anleitung der Hausaufgaben besprochen. Auch längere Gespräche können notwendig sein. In diesen Beratungsgesprächen können sprachförderndes Verhalten und die bestmögliche Unterstützung des Kindes im Alltag thematisiert werden. Bei Bedarf ist ebenfalls eine Beratung bezüglich der Form des Kindergartens oder auch der Schulform, die für Ihr Kind beste Förderung bieten, möglich.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für das Erreichen der mit Ihnen ausgemachten Therapieziele unabdingbar. Es ist wichtig, dass alle Disziplinen (z.B. Ärzte, Erzieher, Lehrer, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychologen), die mit Ihrem Kind in regelmäßigem Kontakt stehen, zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit dient der Absprache der nötigen und möglichen Behandlung- und Untersuchungsmethoden. Mithilfe dieser kann eine umfassende, ressourcen- und patientenorientierte Behandlung sichergestellt werden.

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