Phonologische Störungen

Was bedeutet “phonologisch”?

Der Begriff “phonologisch” wird abgeleitet vom Wort Phonologie. Als Teilgebiet der Sprachwissenschaft beschreibt diese die Funktion der Laute in der Sprache, die einfach gesagt darin besteht, verschiedene Wörter (s. auch „Was ist ein Beispiel für ein Phonem?“) und die Regeln, nach denen die Laute verwendet werden, “herzustellen”. Am Beispiel des Lautes /ch/ ist eine solche Regel gut zu erkennen. Die Aussprache ändert sich je nach vorangestelltem Vokal: Bei Dach, Loch und Kuchen mit den Vokalen a, o, u wird das hintere /ch2/ gesprochen. Hingegen bei Becher und Pflicht mit den Vokalen e und i wird das vordere „ch1“ verwendet.

Was ist ein Beispiel für ein Phonem?

Ein Phonem ist der kleinste Teil eines Wortes, der die Bedeutung des entsprechenden Wortes verändern kann. So wird z.B. aus „Hand – Hund“ (Vokal), Topf – Kopf oder Tasche – Tasse (Konsonanten).

Was ist ein phonologischer Prozess?

Ein phonologischer Prozess ist eine Veränderung der Aussprache nach einer bestimmten Regel. Die phonologischen Prozesse werden unterteilt in Ersetzungsprozesse, Silbenstrukturprozesse und lautliche Umgebungsprozesse:

  • Ein Ersetzungsprozess ist z.B. die sogenannte Vorverlagerung des Lautes /sch/ zum Laut /s/: „Im Swimmbad war es sön!“.
  • Das Auslassen eines oder mehrerer Konsonanten aus einer Verbindung („Bume“ statt „Blume“, „pingen“ statt „springen“) ist ein Beispiel für einen sogenannten Silbenstrukturprozess.
  • Das Umstellen eines Wortes, eine Metathesis, ist einer der lautlichen Umgebungsprozesse („Rafat“ statt „Fahrrad“).

Phonologische Prozesse können sowohl in der ungestörten Sprachentwicklung vorkommen, als auch das Symptom einer Sprachstörung sein. Solche, die in der Sprachentwicklung vorkommen, werden auch als physiologische phonologische Prozesse bezeichnet. Sind diese Prozesse über eine bestimmte Altersgrenzen hinaus immer noch zu beobachten, liegt eine phonologische Verzögerung vor. Die im ersten Beispiel genannte Vorverlagerung von /sch/ zu /s/ wäre ab einem Alter von 4,5 – 5 Jahren behandlungsbedürftig, die Reduzierung von Konsonantenverbindungen (zweites Beispiel) bereits ab 3 Jahren.
Phonologische Prozesse, die in der ungestörten Sprachentwicklung nicht vorkommen, werden als pathologische phonologische Prozesse bezeichnet. Ein Beispiel dafür ist die Rückverlagerung von /t/ zu /k/: „Im Garken flieg’ ein Schmekkerling.“ (Im Garten fliegt ein Schmetterling). Liegt mindestens ein pathologischer Prozess vor, sprechen wir von einer phonologischen Störung.
Darüber hinaus kann es vorkommen, dass die Aussprache der Kinder inkonsequent ist. Das bedeutet, dass die Worte immer falsch, aber nicht auf die gleiche Weise ausgesprochen werden (am Bespiel des Wortes Sonne: „Fonne“, „Honne“, „Donne“, …). Ist dies bei einem bestimmten Prozentsatz (im 25-Wörter-Benenntest mindestens 40% nach drei Durchgängen) der Worte des Fall, so liegt eine inkonsequente phonologische Störung vor.

Was ist eine phonologische Störung?

Wie oben schon erwähnt liegt dann eine phonologische Störung vor, wenn ein Kind phonologische Prozesse, also Veränderungen in der Aussprache, zeigt, die nicht mehr altersgerecht sind und die in der ungestörten Sprachentwicklung nicht vorkommen. Die phonologische Störung wird häufig auch als Störung des Lauterwerbs bezeichnet. Es wird hier davon ausgegangen, dass das Kind grundsätzlich in der Lage ist, die betroffenen Laute korrekt zu bilden. Die Fähigkeit zur korrekten Verwendung dieser ist jedoch gestört. Zu unterscheiden ist die phonologische Störung von der phonetischen Störung. Hier sind die Kinder (motorisch) nicht in der Lage, die betroffenen Laute korrekt zu bilden. Oftmals treten diese beiden Aussprachestörungen jedoch kombiniert auf. Die Bezeichnung lautet dann phonetisch-phonologische Störung. In diesem Zusammenhang wird häufig auch der Begriff Dyslalie verwendet, der als eine Erwerbsstörung auf phonetisch-phonologischer Ebene definiert wird.

Was sind die Ursachen für phonologische Störungen bei Kindern?

Kinder mit phonologischen Störungen haben Schwierigkeiten mit der Verarbeitung von Lauten. Lag im frühen Kindesalter beispielsweise eine Hörstörung vor, z.B. infolge von Infekten mit Mittelohrentzündung, kann die Wahrnehmung von Sprachlauten beeinträchtigt gewesen sein. Das Kind kann dann die Unterschiede zwischen ähnlich klingenden Sprachlauten (z.B. /t/ und /k/) nicht hören und spricht sie somit gleich aus. Aber auch eine auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung kann die Wahrnehmung der Sprachlaute beeinträchtigen und somit ursächlich für eine phonologische Störung sein.
Oftmals ist eine Störung des Lauterwerbs Teil einer umschriebenen Sprachentwicklungsstörung, also einer Störung, die nur auf sprachlicher Ebene vorliegt.

Wie wirkt sich eine phonologische Störung auf die Sprachentwicklung aus?

Durch eine phonologische Störung ist die Verständlichkeit des Kindes häufig eingeschränkt. Je nachdem, welche und wie viele phonologische Prozesse vorliegen und ob die Aussprache konsequent oder inkonsequent ist, wird das Kind von seinen Mitmenschen mehr oder weniger gut verstanden. Enge Bezugspersonen verstehen das Kind aber in der Regel besser als andere. Die eingeschränkte Verständlichkeit kann zu Missverständnissen oder Frustration führen, wenn das Kind beispielsweise so seine Bedürfnisse nicht verständlich äußern kann oder beim Spielen mit anderen Kindern nicht verstanden und deshalb ausgegrenzt wird.
Manche Kinder zeigen ein Störungsbewusstsein, d.h. sie bemerken ihre Aussprachefehler und es kommt vor, dass sie dann bestimmte Wörter in ihrer Sprache vermeiden. Bei Einzelnen kann es auch zu einer Abnahme der Sprechfreude kommen, das bedeutet, dass die Kinder immer weniger sprechen möchten oder es sogar vermeiden zu sprechen.
Phonologische Störungen können auch einen begünstigenden Faktor für andere Sprachstörungen, z.B. Stottern, darstellen. Im weiteren Verlauf stellen phonologische Störungen einen Risikofaktor für spätere Lese-Rechtschreib-Störungen dar. Die Kinder sollten deshalb nach erfolgreichem Abschluss einer logopädischen Behandlung dahingehend beobachtet und bei auftretenden Schwierigkeiten des Schriftspracherwerbs rechtzeitig (gegen Ende des ersten Schulhalbjahres) wieder vorgestellt werden.

Wie werden Störungen des Lauterwerbs festgestellt?

In der pädaudiologischen oder logopädischen Praxis werden, nach einer ausführlichen Anamnese (medizinische Vorgeschichte, Krankengeschichte), bestimmte Tests (Diagnostiken) durchgeführt, um festzustellen, welche Laute das Kind bereits erworben und hat und welche phonologischen Prozesse vorliegen. Des Weiteren wird bewertet, wie konstant die Symptome auftreten, das bedeutet, wie oft ein phonologischer Prozess noch auftritt gegenüber wie oft entsprechende Wörter schon richtig ausgesprochen werden und nicht zuletzt, ob die Aussprachefehler konsequent oder inkonsequent auftreten (s.o.).
Daneben wird auch die Spontansprache des Kindes analysiert und mit den Ergebnissen der Diagnostik verglichen. Es kann vorkommen, dass Kinder im Benenntest keine Aussprachefehler zeigen, jedoch in der gesprochenen Sprache noch phonologische Prozesse zu beobachten sind.
Zu guter Letzt erfolgt die Differentialdiagnostik. Das bedeutet, dass die phonologische Störung von anderen Störungen, wie der phonetischen Störung, der myofunktionellen Störung oder der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung, abgegrenzt wird.

Welche Diagnostiken gibt es bei phonologischen Störungen?

Um eine phonologische Störung zu diagnostizieren, erstellen Logopädinnen und Logopäden einen Lautbefund: Dem Kind werden verschiedene Bilder gezeigt, die so ausgewählt sind, dass alle Laute in jeder Position mindestens zwei Mal vorkommen. Die Aussagen des Kindes werden notiert und nach den o.g. Gesichtspunkten ausgewertet.
Ergänzend kann es für eine aussagekräftige Beurteilung der gesamten phonetisch-phonologischen Ebene notwendig sein, dass auch folgende Bereiche überprüft werden:

  • Mundmotorik: Gibt es Einschränkungen der Kraft, Koordination oder Beweglichkeit der Lippen und der Zunge?
  • Phonemdifferenzierung: Kann das Kind ähnlich klingende Laute im Wort unterscheiden, z.B. „Topf-Kopf“?
  • Phonologische Bewusstheit: Ist das Kind in der Lage, ein Wort in seine Silben zu zerlegen, z.B. „Ba-na-ne“ und kann es Reime erkennen, z.B. „Haus-Maus“ vs. „Haus- Baum“?
  • Auditive Wahrnehmung: Gibt es Auffälligkeiten bzgl. des Hörvermögens?
  • Kurzzeitgedächtnis

Gängige, aktuelle Diagnostikverfahren sind u.a. die Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen (PLAKSS, A. Fox) oder die Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (PDSS, Kauschke und Siegmüller).

Wie wird eine phonologische Störung bei Kindern behandelt?

Die phonologische Therapie wird, wie bei anderen Störungsbildern auch, individuell an das Kind, dessen Alter und die Symptomatik angepasst. Um die Motivation der Kinder zu erhalten, werden die therapeutischen Inhalte spielerisch angeboten.
Liegt eine inkonsequente phonologische Störung vor, so wird zunächst eine konsequente Aussprache erarbeitet. Bei einer reinen phonologischen Störung werden in der Regel zuerst die pathologischen phonologischen Prozesse, also solche, die in der ungestörten Sprachentwicklung nicht vorkommen, behandelt. Bei der phonologischen Verzögerung richtet sich die Reihenfolge der zu behandelnden Prozesse nach der Erwerbsreihenfolge, d.h. der Laut, der schon am längsten hätte erworben sein müssen, wird zuerst erarbeitet. Dies kann jedoch individuell abweichen. Die Auswirkungen des phonologischen Prozesses auf die Verständlichkeit des Kindes sind dabei häufig ausschlaggebend.
Nach der Prozessauswahl beginnt die Therapie zunächst mit Wahrnehmungsübungen. Das Kind lernt die fehlerhafte bzw. korrekte Aussprache bei anderen und später auch bei sich selbst zu erkennen. Zusätzlich wird die korrekte Aussprache der betroffenen Laute bzw. Lautverbindungen geübt, zunächst isoliert, dann in Silben, Wörtern und Sätzen bis hin zur Spontansprache. Oftmals erhält das Kind auch “Hausaufgaben”, um das in der Therapie erlernte noch einmal mit den Eltern zu üben und zu festigen.
Im Rahmen der phonologischen Diagnostik und Therapie fallen auch oftmals Defizite bzgl. der phonologischen Bewusstheitsfähigkeiten (s.u.) auf, die im Rahmen der logopädischen Behandlung auch mit berücksichtigt werden.

Was ist die phonologische Bewusstsein?

Die phonologische Bewusstheit unterteilt sich in zwei Bereiche bzw. „Leistungsstufen“. Sie ist die Fähigkeit, über die lautliche Struktur von Sprache zu reflektieren. Was das im Einzelnen bedeutet, lässt sich im Folgenden deutlich machen:
Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne:

  • Reime erkennen und finden
  • Silben segmentieren, z.B. „Kin-der-gar-ten“
  • (Anlaute erkennen: „Hörst du ein E in Elefant?“)

Phonologische Bewusstheit im engeren Sinne:

  • Bestimmung von Wortlängen und Silbenzahl: „Schmetterling ist länger als Hut“, „ Straße hat zwei Silben“
  • An- und Auslautidentifikation bzw. komplette Lautanalyse: „Welchen Laut hörst du am Anfang/Ende von Maus? – M / S“ bzw. „Welche Laute hörst du bei Maus? – M / AU / S“
  • Lautlokalisation: „Wo hörst du das P in Lupe? – In der Mitte.“
  • Lautsynthese: „Welches Wort ergibt das: SCH / U / L / E? – Schule.“
  • Lautergänzung: „Welcher Laut fehlt: Marme_ade? – L“
  • Silben- und Lautmanipulation: Weglassen, Vertauschen oder Hinzufügen von Silben oder Lauten, z.B. :“Was wird aus Brett ohne R? – Bett.“

Was können Eltern bei Verdacht auf eine Störung des Lauterwerbs tun?

Wenn Sie vermuten, dass bei Ihrem Kind eine phonologische Störung vorliegt, dann lassen Sie sich auf jeden Fall beraten. Wenden Sie sich dazu an Ihre Kinderärztin oder Ihren Kinderarzt und lassen Sie ihr Kind ggf. zu einer HNO-ärztlichen Praxis oder besser noch zu einer Fachpraxis für Phoniatrie und Pädaudiologie (spezialisiert auf Sprach-, Sprech-, Stimm- und kindliche Hörstörungen) überweisen. So kann festgestellt werden, ob logopädischer Behandlungsbedarf besteht. Auch andere Beratungsstellen, wie Sozialpädiatrische Zentren oder Frühförderstellen, können helfen.
Des Weiteren helfen Sie Ihrem Kind, wenn Sie selbst ein gutes sprachliches Vorbild sind. Sprechen Sie deutlich und vermeiden Sie „Baby-Sprache“. Bitte verbessern Sie ihr Kind nicht, sondern versuchen Sie es zu bestärken: „Tutt mal, Mama! Da tommt eine Tatze.“. „Oh ja, stimmt! Da kommt eine Katze. Ich glaube, das ist die Katze von Frau Scholz.“.
Vermeiden Sie auch mit Ihrem Kind zu „üben“ und es nachsprechen zu lassen („Sag mal Kuchen“). Das kann für Ihr Kind sehr frustrierend sein. Nutzen und schaffen Sie stattdessen natürliche Kommunikationssituationen, beispielsweise beim gemeinsamen Spiel und nehmen Sie sich Zeit für Ihr Kind. Auch Ihre Therapeutin oder Ihr Therapeut steht Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, wie Sie die Sprache Ihres Kindes im Alltag spielerisch fördern können.

Wenn Sie sich unsicher sind oder weitere Fragen haben, wenden Sie sich gerne an uns.

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