Myofunktionelle Störung (MFS) / Orofaziale Dysfunktionen
Myofunktionelle Störungen (MFS)/ Syn. Orofaziale Dysfunktion
Der Begriff der ‚myofunktionell‘ setzt sich aus myo‘ (=Muskel) und ‚funktionell‘ (=die Leistung betreffend) zusammen. Die Bezeichnung ‚Störung‘ ergänzt den Begriff inhaltlich um eine verringerte Funktionsfähigkeit. Im Fall einer MFS ist demnach die Funktion der Muskulatur beeinträchtigt, die u.a. für die Artikulation und das Schlucken benötigt wird. Eine weitere verbreitete Bezeichnung für dieses Störungsbild ist auch die ‚Orofaziale Dysfunktion’. Symptome einer MFS können sowohl im Kleinkindalter, als auch später im jugendlichen Alter auftreten.
Kinder und Jugendliche mit einer MFS werden häufig in logopädischen Praxen vorstellig und können in der Regel mit guter Prognose behandelt werden.
Was ist eine Myofunktionelle Störung?
Unter einer MFS versteht man eine Funktionsstörung in der Muskulatur des Mund- und Gesichtsbereiches. Demnach betrifft sie die meist die Lippen, die Zunge oder den Kiefer. Auch das physiologische Zusammenspiel mit der mimischem Muskulatur, die für den Gesichtsausdruck sorgt, sowie mit dem Gaumen oder der Muskulatur im Rachen kann beeinträchtigt sein. Auffälligkeiten aufgrund der Funktionsstörung zeigen sich je nach Kind u.a. in der Aussprache, der Atmung sowie in der Kau- und Schluckfunktion.
Welche Symptome und mögliche weitere Folgen treten bei einer Myofunktionelle Störung auf?
Eine MFS kann durch ganz unterschiedliche Symptome geprägt sein.
Einige Kinder zeigen einen unvollständigen Mundschluss mit geöffneten Lippen oder einen starken Speichelfluss. Häufig ist das Atmen durch den Mund insgesamt erschwert. Neben einer ungünstigen Lippenspannung tritt meist auch eine unausgeglichene Zungenspannung auf und die Zungenposition ist bei vielen Kindern zwischen oder unmittelbar an den Zähnen.
Diese Auffälligkeiten treten häufig auch verbunden mit einer Lautbildungsstörung auf. Typisch hierfür sind Schwierigkeiten, die Laute „s“ und „ Sch“ korrekt zu bilden. Neben der Aussprache ist oftmals vor allem das Schlucken beeinträchtigt. Betroffene Kinder pressen während des Schluckens häufig die Zunge gegen die Zähne und zeigen somit den sogenannten ‚Zungenvorstoß‘.
In Folge des Pressens und der unausgeglichenen Muskelspannung können mögliche Symptome einer MFS langfristig u.a. auch Zahn- oder Kieferfehlstellungen, ein hoher Gaumen, ein offener Biss, oder ein Unter- bzw. Überbiss sein.
Was sind die Ursachen einer MFS?
Auch die Ursachen einer myofunktionellen Störung sind vielfältig. Teils treten verschiedene Faktoren parallel auf, die zur Entstehung beitragen.
Oftmals führen Defizite in der Sinneswahrnehmung zu einer MFS. In dem Fall fällt es dem Kind schwer, Reize im Mundbereich zu spüren und z.B. Bewegungen der dortigen Muskulatur zu koordinieren. Beim Vorliegen genetisch bedingter Syndrome, wie z.B. der Trisomie-21, oder einer Zelebralparese ist sind myofunktionelle Auffälligkeiten ebenso wahrscheinlich.
Eine weitere bekannte Ursache ist die Einschränkung der Nasenatmung, z.B. durch vergrößerte Rachenmandeln oder Allergien.
Ebenso kann z.T. die frühe Ernährungsform, z.B. Flaschenernährung, zu den Ursachen gezählt werden. Hierbei sind u.a. der Aufsatz der Saugflasche als Baby, sowie später einseitige Konsistenzen in der Ernährung (z.B. ausschließlich weiche Kost) zu nennen. Lutscht ein Kleinkind übermäßig lange am Daumen oder Schnuller, so kann auch hierdurch ein Muskelungleichgewicht und ein nach vorn gerichtetes Schluckmuster hervorgerufen werden.
In den folgenden Lebensjahren wirkt sich bei einigen Kindern teilweise auch eine ungünstige Zahn- oder Kieferstellung auf das Schlucken und die Funktion beteiligter Muskeln aus. Gleiches kann für ein zu kurzes Zungenbändchen gelten, das die Beweglichkeit der Zunge verringert.
Wie wird eine Myofunktionelle Störung diagnostiziert?
In vielen Fällen bemerken Eltern oder Angehörige die oben genannten Symptome bei ihrem Kind, wie z.B. den erhöhten Speichelfluss. Oft nehmen auch Lehrer oder Erzieher Anzeichen wahr, z.B. wenn ein Kind aufgrund der Lautbildungsstörung im Altersvergleich schwerer zu verstehen ist. In beiden Fällen ist das Aufsuchen des Kinderarztes oder HNO- Arztes und eine Abklärung der Anzeichen notwendig. Gleichermaßen kann der Rat einer logopädischen Praxis eingeholt werden, um vorab über die Notwendigkeit einer Behandlung zu entscheiden.
Handelt es sich um Auffälligkeiten, die besonders das Schlucken und die Zahn- Kieferstellung betreffen, so ist zumeist eher der Zahnarzt oder Kieferorthopäde an der Diagnosestellung beteiligt.
Wird von dem aufgesuchten Arzt schließlich aufgrund der Diagnose der Beginn einer Therapie befürwortet, so stellt dieser einer logopädische Verordnung aus und die Therapie kann beginnen.
Wie sieht die Therapie einer Myofunktionelle Störung aus?
Die Behandlung einer Myofunktionellen Störung verläuft sehr individuell und am betroffenen Kind orientiert. Je nach Alter des Kindes werden die Eltern intensiv einbezogen, um einen Übertrag in den Alltag zu fördern. Mögliche Inhalte sind u.a. die Förderung der Wahrnehmung im Mundbereich und das Anleiten spezifischer Kräftigungsübungen für Lippen und Zunge. Diese sollten für einen guten Therapieerfolg möglichst regelmäßig geübt werden. Neben dem Spannungsaufbau in der Muskulatur werden außerdem für das korrekte Schluckmuster relevante Bewegungsmuster der Zunge veranschaulicht und es kommt zu Schluckübungen. Hierbei werden zuletzt auch Lebensmittel verschiedener Konsitzenzen eingesetzt.
Liegt eine Beeinträchtigung der Lautbildung vor, wie z.B. das umgangssprachliche „lispeln“ oder die Fehlbildung des „Sch“, so werden betroffene Laute mit verschiedenen Hilfsmitteln erst einzeln geübt, später dann auch in Wörtern und Sätzen trainiert.
Häufig wirkt ein Ergänzen der Therapieinhalte durch ganzkörperliche Übungen unterstützend und verbessert die gesamte Körperspannung des Kindes.
Wie kann dem Auftreten einer MFS bereits früh präventiv vorgebeugt werden?
Im Säuglingsalter hat das Stillen, sofern möglich, oder das bewusste Geben der Flasche durch den intensiven Einsatz der Lippen- und Zungenmuskeln einen positiven Einfluss auf die Entwicklung und Aktivierung der myofunktionellen Funktionen. Als optimal wird, falls möglich, das Stillen über einen Zeitraum von 6 Monaten beschrieben. Bei der Ernährung des Säuglings über eine Flasche sollte die Öffnung des Saugloches nicht zu groß, der Umfang des Lippenschildes dagegen nicht zu schmal gewählt werden. Es ist ratsam, das längere Nuckeln an Flaschen oder Schnullern, z.B. vor dem Einschlafen, nicht bis ins Schulalter hinein zu unterstützen. Dies gilt auch für das Daumenlutschen als Gewohnheit, welches mit der Zeit abtrainiert werden sollte. Es ist zudem wirksam, im Kindesalter auf Schnabeltassen oder Flaschen mit einem Nippel zu verzichten, da sich die Zunge tendenziell in deren Richtung nach vorn bewegt und ein Schlucken mit Vorstoß ausgelöst werden kann. Weiterhin sollten im Bereich der Ernährung bei Reife für Beikost möglichst auch festere Lebensmittel angeboten werden, um durch das Kauen die gesamte Artikulation im Mundbereich zu trainieren.